Cevi Hirzel-Schönenberg-Hütten
George Williams
Ein Heufuder entscheidet über den Beruf In einem abgelegenen Bauernhof im Südwesten Englands, am Rande eines weglosen Moores, kam George Williams am 11. Oktober 1821 zur Welt. Hier lebte ein hartes, kühnes Bauerngeschlecht in grosser Einfachheit. Statt aus Tellern assen sie aus Mulden in der Tischplatte, die nach der Mahlzeit mit heissem Wasser gereinigt wurden. George war der Jüngste von acht Buben. Er war klein und zierlich gebaut wie seine Mutter. An den langen Winterabenden, wenn sie alle um das grosse offene Feuer sassen, brachte er seine Brüder mit seinen drolligen Spässen ständig zum Lachen. Doch wie hätten sie erst gelacht, wenn ihnen jemand prophezeit hätte, dass dieser quecksilbrige Knirps einst in den Adelsstand erhoben und als Ehrenbürger von London neben den Seehelden, Staatsmännern, Dichtern und Denkern seines Volkes in der ehrwürdigen St.-Paulus-Kathedrale begraben werde!
Handlungsgehilfe "Der junge Mann ist mir zu klein", sagte achselzuckend Herr Hitchcock, der Chef des grossen Londoner Handelshauses Hitchcock & Rogers, als George Williams ihm von einem älteren Bruder vorgestellt wurde. Der Bruder liess aber nicht locker: "Klein ist er wohl, aber tüchtig." - "Gut, kommen Sie morgen nochmals vorbei." "Ich will es mit Ihnen versuchen", lautete am andern Tag der Bescheid des Chefs. George trat als Verkäufer in das Geschäft ein. Der kleine Angestellte war so tüchtig, dass er nach einigen Jahren Einkäufer wurde und bald den Umsatz des Geschäftes bedeutend gesteigert hatte. Eine harte Zeit begann. Es war wahrlich kein Spass, von morgens 7 bis abends 9 Uhr im obligatorischen schwarzen Anzug mit weisser Halsbinde hinter dem Ladentisch zu stehen und allen Kunden ein freundliches Gesicht zu zeigen. Nur eine kurze Mittagspause gab es. Die jungen Gehilfen mussten im Geschäftshaus schlafen, mehrere in einem kleinen, schlecht gelüfteten Raum, immer zwei in einem Bett. Und am Abend, was wussten sie anderes zu tun, als ins Wirtshaus zu sitzen? Unter den jungen Handlungsgehilfen war manches recht zweifelhafte Früchtchen. Wirklich, George Williams kam in das Handelshaus der Weltstadt wie ein gesunder Apfel in eine Hürde voll verdorbener, fauler Äpfel. Wie lange würde es dauern, bis auch er angefault war?
Kampf Doch es kam anders. Nicht die faulen Äpfel steckten den gesunden an - es war gerade umgekehrt. Zuerst fand George Williams einen gleichgesinnten Freund. Bald wurden es drei, vier, zehn, die regelmässig zusammenkamen. Die Schar der jungen Männer, die entschlossen waren, es mit Gott zu wagen, wuchs und wuchs. Durch das ganze Haus ging die "ansteckende Gesundheit" und packte einen nach dem andern. Nur einer liess sich nicht anstecken. Er war Vorsitzender einer Art von Vergnügungsklub und hatte eine boshafte Freude, den verhassten "Frömmler" die Jungen abspenstig zu machen. "Du wirst doch nicht zu diesen stumpfsinnigen Betbrüdern gehen? So blöd wirst du nicht sein, einen Abend lang über der Bibel zu hocken! Komm zu uns, da geht es toll zu und her!" So suchte er die jungen Leute auf seine Seite zu ziehen. Diesen Bibelnarren wollte er den Verleider anhängen! Und er ahnte nicht, dass sein vergnügungssüchtiges Leben bereits unterhöhlt war - von der grössten Weltmacht, die es gibt. George Williams Schlafzimmer war ein Kampfplatz. Nicht dass sie einander dort die Schädel zerdroschen. Nein, sie beteten für jeden Einzelnen, der sich noch nicht für Christus entschieden hatte. Einmal aber sassen sie recht entmutigt beisammen. Wie sollten sie mit jenem Gegner fertig werden? "Wir müssen ihn gewinnen!" meinte George Williams hartnäckig. "Wie willst du das anstellen?" Keiner wusste Rat. Auf einmal fragte Williams: "Wofür interessiert er sich eigentlich?" - "Austern", war die Antwort. "Überhaupt: lustig sein, gut essen, nur nichts Ernsthaftes..." - "Gut, laden wir ihn zu einem Austernessen ein !" Und der Gegner nahm die Einladung an. Hatte er erwartet, diese "Mucker" würden ihm den ganzen Abend die Hölle heiss machen und ihn zu bekehren versuchen, so hatte er sich schwer getäuscht. Er musste wohl oder übel zugeben, dass er einen sehr fröhlichen Abend verbracht hatte. Und die Austern hatten ausgezeichnet geschmeckt... Als bald darauf der erste CVJM gegründet wurde, war jener ehemalige Spötter einer von den zwölf Gründern.
Der grosse Tag Gar nicht lange dauerte es, da wurde auch der Chef des Handelshauses gepackt und stellte sich mit Freuden an die Spitze der jungen Bewegung. Drei Jahre nach dem Eintritt George Williams war der ganze Betrieb vom jüngsten Lehrling bis zum Prinzipal für Christus erobert. Aber der junge Kämpfer begnügte sich damit nicht. Er wollte auch den Handlungsgehilfen in den andern Geschäftshäusern Londons helfen. Am 6. Juni 1844 schlossen sich im Schlafzimmer von George Williams zwölf junge Männer als Christlicher Verein junger Männer zusammen. Ihr grosses Ziel war, die jungen Männer Londons und der Welt zu Christus zu führen. "Gott zuerst!"
George Williams wurde Teilhaber der Firma Hitchcock und ein bedeutender Handelsherr in der Weltstadt London. Neben dem Geschäft stellte er seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des CVJM. Die Bewegung wuchs mächtig. Schnell breitete sie sich in London und überall in England aus und wurde bald auch in andere Länder Europas, nach Nordamerika, Asien und Australien, getragen. Im August 1855 war George Williams einer der Teilnehmer an der ersten Weltkonferenz in Paris, an der der Weltbund der CVJM gegründet wurde. Die Königin Viktoria erhob George Williams "um seines hervorragenden Dienstes für die Menschheit willen" in den Adelsstand, und die Stadt London verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht. Aus allen Erdteilen kamen im Jahre 1894 Teilnehmer zur Fünfzigjahrfeier des CVJM nach London. In fünf Jahrzehnten war die Bewegung auf etwa 5000 Vereine mit einer halben Million Mitgliedern angewachsen. George Williams aber blieb der schlichte Christ, der er immer gewesen war. An der Wand seines Arbeitszimmers stand das Wort: "Gott zuerst!" George Williams starb im Jahre 1905. Wo der Leichenzug durchkam, stockte für einige Zeit der Verkehr der Weltstadt. Viele zogen den Hut und blieben barhäuptig im Regen stehen. Williams wurde in der St.-Paulus-Kathedrale beigesetzt, wo Englands grosse Toten begraben liegen, nahe dem Sarg des Seehelden Nelson. Aber das Werk, das Gott durch ihn begonnen hatte, geht weiter. Es kommt auf dich an! Höre zum Schluss das letzte Wort von George Williams an den Londoner CVJM: "Geht voran! Erwartet grosse Dinge von Gott!"
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